Podiumsdiskussion und Lesung mit Klaus Völker
und Olaf Kühl.
1963 verlässt Witold Gombrowicz nach über 23 Jahren Argentinien und kommt als einer der ersten Stipendiaten der Ford Foundation nach Berlin (West). Walter Höllerer lädt ihn ins neu gegründete LCB ein, wo gerade die erste Autorenwerkstatt stattfindet… Der große polnische Schriftsteller wirkt auf seine Zeitgenossen exzentrisch, bizarr, theatralisch. In seinem Tagebuch verarbeitet er sein Leben im Exil und seine eigenen Fremdheitserfahrungen – auch die Monate in Berlin. Dabei lockt er den Leser nicht mit intimen Bekenntnissen, sondern zieht ihn in den Boxring seiner intellektuellen Rauflust. Das ist ebenso provozierend wie unterhaltend zu lesen. „Ich bin das Aspirin, das Krämpfe löst“, schreibt er dazu. Gombrowiczs Tagebuch ist aber ebenso die literarische Setzung einer charismatischen Figur: „Montag, Ich. Dienstag, Ich. Mittwoch, Ich. Donnerstag, Ich“. Doch wer ist dieses Ich, das wie in diesen berühmten ersten Zeilen auf der Bühne des Tagebuchs spricht? Mit welchen Masken und in welchen Rollen spielt es vor dem Leser? Und warum? Über den dramatischen Gehalt des Tagebuchs und über das schauspielerische Talent, das bei seiner Übersetzung nötig ist, über das Übersetzen als ästhetische Praxis und als Neuinszenierung eines literarischen Textes diskutieren Klaus Völker, Dramaturg und Theaterhistoriker und Olaf Kühl, literarischer Übersetzer und Schriftsteller. Das Gespräch moderiert Dorota Stroińska, Literaturübersetzerin.
Eine Gemeinschaftsveranstaltung der Weltlesebühne e.V., des Literarischen Colloquiums Berlin und des Polnischen Instituts Berlin.
Zu den Teilnehmern:
Klaus Völker wurde 1938 in Frankfurt am Main geboren, lebt in Berlin. Er ist Literatur- und Theaterkritiker, Schriftsteller und Übersetzer aus dem Französischen, Professor für Schauspielgeschichte und Dramaturgie. Von 1969-1985 war er leitender Dramaturg in Zürich, Basel, Bremen und Berlin. Von 1985-2001 leitete er den „Stückemarkt“ bei den Berliner Festspielen. 1992 wurde er zum Professor für Theatergeschichte und Dramaturgie an die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin berufen, deren Rektor er von 1993 bis 2005 war. Er hat zahlreiche Publikationen, u.a. über Brecht, Wedekind, Yeats und O’Casey veröffentlicht und ist Herausgeber der Gesammelten Werke von Max Herrmann-Neiße, Alfred Jarry sowie Boris Vian. Seit 2000 ist er Mitglied der Akademie der Künste, Berlin. Von 2003 bis 2006 war er Direktor der Sektion Darstellende Kunst. 2004 erhielt er den Hessischen Kulturpreis, 2005 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Olaf Kühl wurde 1955 in Sanderbusch/Friesland geboren, lebt in Berlin. 1995 promovierte er mit einer Arbeit über Stilistik einer Verdrängung. Zur Prosa von Witold Gombrowicz. Seit 1996 ist er Russlandreferent des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. Zugleich zählt er zu den renommiertesten Übersetzern aus dem Polnischen und dem Russischen, übertrug u.a. Werke von Andrzej Stasiuk und Witold Gombrowicz, Adam Zagajewski und Dorota Masłowska. 2005 erhielt er den Deutschen Jugendliteraturpreis für die Übersetzung von Dorota Masłowskas Schneeweiß und Russenrot sowie den Karl-Dedecius-Preis für sein polnisch-deutsches Übersetzungswerk. 2008 Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung für eine Recherche-Reise nach Sibirien. Im Winter 2011/2012 hatte er die August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung an der Freien Universität Berlin inne. 2011 erschien sein erster Roman Tote Tiere, im September 2013 folgt sein zweiter: Der wahre Sohn (beide Rowohlt Berlin).
Dorota Stroińska, geboren 1965,lebt in Berlin. Übersetzerin aus dem Deutschen ins Polnische (u.a. K. Jaspers, R. Safranski, L. Seiler, Ch. Kracht, S. Lewitscharoff) und auch aus dem Polnischen ins Deutsche (u.a. W. Kuczok). 1998 erhielt sie den Übersetzerpreis des polnischen Übersetzerverbandes für ihre Übersetzung des Werks von Karl Jaspers Nietzsche. Sie ist Leiterin der Deutsch-Polnischen Übersetzerwerkstatt (ViceVersa). 2006 gründete sie in Berlin den „Sztamtysz“ – monatliche Workshops für Literaturübersetzer aus beiden Sprachen. Von 2010 bis 2012 Forschungsstipendium im Karl Dedecius Archiv (Theorie und Praxis literarischer Übersetzung). Seit 2013 Mitarbeiterin der S. Fischer Stiftung.
Literarisches Colloquium Berlin
Am Sandwerder 5
14109 Berlin
6 / 4 €