Czesław Miłosz zum 100. Geburtstag
Mit Doreen Daume (Übersetzerin), Tadeusz Dąbrowski (Lyriker, Essayist, Kritiker) und Ulrich M. Schmid (Literaturwissenschaftler)
„Sein sprödes, für Kenner schönes, für Unempfindliche hermetisches, für Fremde erst recht fremdes Polnisch erscheint wie eine schichtenreiche geologische Formation, in der Jahrhunderte polnischer Kultur ihr Beständiges abgelagert haben“, schreibt 1979 Karl Dedecius über Czesław Miłosz‘ lyrische Sprache, um sodann zu dem Schluss zu kommen, diese Sprache sei „nicht selten unübersetzbar“. 1980 erhielt Czesław Miłosz für sein lyrisches Gesamtwerk den Literaturnobelpreis, doch das Verdikt des berühmten Polnischübersetzers wurde in Deutschland drei Jahrzehnte lang nicht revidiert.
Während in Polen und in den angelsächsischen Ländern Czesław Miłosz als „der größte Dichter des 20. Jahrhunderts“ gefeiert und als Vorbildfigur bedeutender englischsprachiger Lyriker verehrt wird, fand Milosz‘ Lyrik hierzulande, auch im Unterschied zu der anderer zeitgenössischer polnischer Dichter, kaum Resonanz. Er wird vielmehr als ein osteuropäischer Intellektueller, Essayist, Prosaschriftsteller und Autor solcher Bücher wie Verführtes Denken (1953), Tal der Issa (1957), West- und östliches Gelände (1961) wahrgenommen. Ebenso wenig ist bekannt, dass Miłosz, der seit 1951 im Exil lebte und immer auf Polnisch schrieb, selber sehr viel übersetzte – englischsprachige Lyrik ins Polnische, polnische Lyrik ins Englische, aber etwa auch die Bibel neu ins Polnische übertrug.
Woran liegt diese Diskrepanz in der Rezeption Milosz‘? Wie lässt sich die deutsche Rezeptionsgeschichte seines Werks fassen? Welche Rolle spielt in der Miłosz-Rezeption die Übersetzung – nicht nur die Qualität, sondern vielmehr der Zeitpunkt der Veröffentlichung?
Über die heutige Wirkung von Miłosz‘ Werk bei uns diskutieren Doreen Daume, die Übersetzerin des Spätwerks von Miłosz (Hündchen am Wegesrand 2000; Mein ABC. Von Adam und Eva bis Zentrum und Peripherie 2002; DAS und andere Gedichte 2004), Tadeusz Dąbrowski, polnischer Lyriker jüngerer Generation (zuletzt auf Deutsch erschienen: Schwarzes Quadrat auf schwarzem Grund. Zweisprachig. Übersetzt von Andre Rudolph, Alexander Gumz und Monika Rinck. luxbooks, Wiesbaden, 2010) und Ulrich M. Schmid, Literaturwissenschaftler, Professor für Gesellschaft und Kultur Russlands an der Universität St. Gallen und Autor mehrerer Essays über Czesław Miłosz. Das Gespräch moderiert Manfred Sapper, Chefredakteur der Monatszeitschrift OSTEUROPA
Eine Veranstaltung der WELTLESEBÜHNE in Zusammenarbeit mit dem Literarischen Colloquium Berlin und dem Polnischen Institut Berlin.
Gefördert durch die Robert Bosch Stiftung
Literarisches Colloquium Berlin, Sandwerder 5, 14109 Berlin
6,- Euro, 4,- Euro